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Nintendo Switch

Nintendo löst die Heimkonsole von ihrem Platz und bringt den ersten Hybriden aus Konsole und Tablet an den Start, der wirklich Sinn ergibt.

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Nintendos bisherige Reise ist geprägt von einem Weg über Hügel und durch Täler. Scheitern lag nie weit entfernt von enormen Erfolgen. Das Unternehmen hat die Post-Atari-Konsolenszene in den USA definiert, aber danach nicht immer die gleichen Erfolge erreicht, sondern sich auch bemerkenswerte Fehltritte geleistet. Der Fokus ging immer weiter weg von reiner Hardwareleistung hin zu Innovation - und das hat Nintendo in eine etwas prekäre Position gebracht. Nintendo Switch muss erfolgreich sein, auch weil die Wii U versagt hat. Die Einsätze konnten nicht höher sein.

Nintendo hat vielleicht seine innovativste Konsole bis heute abgeliefert (was natürlich auch etwas aussagt, wenn man darüber nachdenkt). Die Switch bietet eine schöne Mischung aus cleveren Features und feinem Design, ist einfach zu bedienen und voller Potenzial. Das Tablet mit den passenden Joy-Con Controllern weist eine beeindruckende Qualität auf. Es fühlt sich an, wie ein kostbares Stück Hardware. Da ist dieser Drang, das Teil in die Hände nehmen zu wollen und mit sich rumzutragen. Wie beim neusten iPhone willst du es deinen Freunden zeigen und damit gesehen werden. Auf seine eigene Weise ist es ein neuer, verbesserter Game Boy für das 21. Jahrhundert.

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Wenn der Switch erfolgreich sein will - und wir hoffen und fühlen, dass das klappen kann - wird es wegen ihrer unvergleichlichen Flexibilität sein.
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Es gibt zwei hauptsächliche Wege, in denen wir mit der Nintendo Switch interagieren, aber innerhalb dieser Möglichkeiten gibt es mehrere Variablen, die das Spielerlebnis je nach individueller Situation anpassen. Wenn das Tablet in der Docking-Station sitzt, ist Switch eine Heimkonsole und an einem HDTV über das in der Box enthaltene HDMI-Kabel angeschlossen. Die kann dann maximal eine HD-Auflösung in 1080p darstellen. Sobald das Tablet aus dem kleinen, unbestreitbar etwas zu plastikmäßigen Ständer entfernt ist, wechselt das Bild quasi sofort aufs Tablet und man kann mobil auf verschiedene Arten einfach weiterzocken.

Ein Tablet zum Zocken ist natürlich nichts Neues, aber die Erfahrung ist hier durch Nintendos größte Innovation eine völlig andere: Die hervorragenden Joy-Con-Controller. Diese dünnen Controller, etwa so lang wie eine Handfläche, lassen sich an jeder Seite der Tablet-Hardware befestigen und so sofort in einen atemberaubenden Handheld umwandeln. Die Joy-Cons können auch zusammen mit einem der Konsole beiliegenden Grip verwendet werden, und sind dann ein eher traditionellerer Controller. Oder man klappt den Standfuß auf der Rückseite des Bildschirms auf (was leider sehr fummelig ist) und nutzt die Joy-Cons entweder einzeln in jeder Hand, um solo zu spielen oder gibt einen Joy-Con einen Freund und hat dann ganz fix lokalen Multiplayerspaß. Und natürlich gibt es noch den ziemlich gut gemachten Touchscreen. Das sind eine Menge Optionen direkt aus der Box - und wer zusätzliche Präzision und eine bequemere Passform will, kann sich den allerdings recht teuren Pro-Controller zulegen.

Wenn die Switch erfolgreich sein will - und wir hoffen und fühlen, dass das klappen kann - wird es wegen ihrer unvergleichlichen Flexibilität sein. Und natürlich wegen starker Nintendo-Games. Während der Zeit, die wir mit der Switch bisher verbracht haben, sind wir jeden Tag ein bisschen mehr beeindruckt, von der Hardware. Gleich mehrere Redakteure genießen bei Gamereactor aktuell The Legend of Zelda: Breath of the Wild - ein ernster Kandidat für das beste Launchgame einer Hardware aller Zeiten. Wir spielen auf dem Fernseher im Wohnzimmer sowie im tragbaren Modus im Bett, auf dem Klo, im Lieblingscafé, der U-Bahn, im Hörsaal und an 1000 anderen Orten. Wo immer du spielst, funktioniert die Hardware mühelos.

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Die verschiedenen Steuerungsoptionen und die Einfachheit des Designs sorgen dafür, dass wir die Switch aus dem Ständer pflücken können und fast sofort dort weiterspielen, wo wir auf dem Bildschirm aufgehört haben.

Es ist natürlich keine perfekte Konsole, kein perfektes Handheld. Die große Flexibilität hat ihre Kosten: Weniger Leistung. Der Switch ist einfach keine Leistungs-Konkurrenz für Playstation 4 oder Xbox One, und wir reden hier von den etablierten Versionen jeder Konsole und nicht der PS4 Pro oder Project Scorpio, die Microsoft noch 2017 in den Verkauf bringen will. Aber es war vorweg klar, dass Switch nie die gleiche Leistung haben würde. Niemand wird eine Switch kaufen, um die neuesten Titel in 4K zu spielen. Tatsächlich sieht Zelda sogar sprichwörtlich ziemlich alt und körnig aus auf einem 4KTV. In vielen Fällen fehlt dem Helden schlicht das Gesicht. Wer Performance sucht, wird von der Switch enttäuscht sein. Wer sich jedoch auf die Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit als mobile Plattform konzentriert, ist schnell beeindruckt. Letztlich ist es eine Frage der Perspektive.

Die Flexibilität ist zu großen Teilen den Joy-Cons zuzuschreiben. Sie klicken mit einem überraschend schönen Geräusch in Position auf beiden Seiten des Tablet-Bildschirms, machen ihn zur einer tragbare Konsole mit einem knackigen 6,2-Zoll-LCD-Touchscreen, der 720p unterstützt. Der Bildschirm ist vielleicht ein bisschen zu glänzend in manchen Situationen wenn man draußen spielen will. Nintendo hätte eine matte Version verbauen sollen. Dank der vielen Features, die in jedem Teil des Controllers eingebaut sind, hat Nintendo den Entwicklern viele Möglichkeiten gegeben, neue Spielerfahrungen zu erschaffen und etablierte zu verbessern in den kommenden Jahren. Es gibt zum Beispiel die sehr beeindruckende HD-Rumble-Funktion. In den 1-2-Switch-Minigames sieht man schnell, wie empfindlich sie Bewegungen registrieren und Vibrationen abgeben können. Der rechte Joy-Con hat eine Infrarot-Bewegungskamera und NFC-Amiibo-Funktionalitäten verbaut, beide haben gute Gyrosensoren. Das Links-Rechts-Setup bedeutet, dass sich ein Spieler daran gewöhnen muss, als Rechtshänder den linken Joy-Con zu nutzen. Aber es ist nicht schwer, sich an diese Veränderung zu gewöhnen. Das Anbringen der Joy-Cons an einen Grip verwandelt sie fast in einen "normalen" Controller. Das funktioniert zum großen Teil gut, obwohl es ein paar Bluetooth-Verbindungsprobleme gab mit dem linken Joy-Con, die aber per Software-Update behoben werden sollen.

Die verschiedenen Steuerungsoptionen und die Einfachheit des Designs sorgen dafür, dass wir die Switch aus dem Ständer pflücken können und fast sofort dort weiterspielen, wo wir auf dem Bildschirm aufgehört haben. Dieser Trick verliert nicht so schnell seine Faszination. Allerdings erkennt man fast sofort einen kleinen Einbruch der Performance, wohl im direkten Zusammenhang mit dem Stromverbrauch. Mobil bietet das Tablet etwa drei Stunden Akkulaufzeit beim Spielen, obwohl es variiert, je nach CPU-Auslastung und wie hell der Bildschirm eingestellt ist (einmal etwas länger Drücken auf die Home-Taste und ein Menü taucht auf, um die Helligkeit anzupassen). Dennoch hat man nie das Gefühl, mobil ein "schlechteres" Spielerlebnis zu haben. The Legend of Zelda: Breath of the Wild zum Beispiel zeigt keine bemerkenswerten Performance-Einbrüche, wenn es im Handheld-Modus gespielt wird. Es sieht sogar richtig toll aus auf dem kleinen Bildschirm (es gibt eine laufende Debatte zwischen Gamereactor-Redakteuren, von denen die Mehrheit meint, dass es mobil schicker aussieht). Wenn die Switch dauerhaft am Strom hängt, kann sie mehr Leistung abrufen, das ist einfach so. Aber das muss nicht dazu führen, dass ein Spiel deswegen als HDTV besser aussieht. Zelda läuft dort ohnehin nur in 900p.

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Sobald das locker 60-stündige Zelda-Abenteuer ausgeklammert wird, sieht die Lage weniger überzeugend aus.

Die Benutzeroberfläche der Switch ist knackig und klar, sieht sehr aufgeräumt aus und ist vor allem intuitiv und reaktionsschnell. Wir warten immer noch auf das Day-1-Update, das Zugang zum eShop, dem News-Bereich, den sozialen Features und so weiter gibt, aber abgesehen davon ist alles, was wir bisher verwendet haben, elegant gemacht. Es gibt die Option, individuelle Konten anzulegen für mehrere Spieler einige sehr nützliche Tools zur Einstellung der Altersbeschränkungen. Wer pausiert hat und die Konsole wieder aufwecken will, muss nur eine Taste drücken und danach mit einem Dreimal-Tippen der A-Taste und der Schultertasten die gewünschte Steuerungsoption wählen. Kinderleicht gelöst. Wer die Home-Taste drückt, landet auf dem Startbildschirm, der die letzte Spiele als Kacheln anzeigt und darunter die Menüpunkte als Verknüpfungen. Alles sehr logisch.

Weniger logisch ist die Tatsache, dass man beim Kauf der Konsole kein Spiel mitgeliefert bekommt. Nicht mal eine Demo. Während Nintendos Argumentation verständlich ist, die Kosten so weit wie möglich klein zu halten, fühlt sich trotzdem wie ein großer Mangel an. 1-2-Switch etwa wäre perfekt als Beigabe gewesen. Oder auch nur vier oder fünf seiner Mini-Spiele als Appetithäppchen - alles wäre besser als dieses Nichts. Wobei so einige strategische Entscheidungen verwunderlich sind. Der Multiplayer soll als kostenpflichtiger Service integriert werden (so wie PS Plus oder Xbox Live Gold) im Herbst, allerdings sind die Preise noch unbekannt. Außerdem sollen wir im Rahmen dieses Deals vorübergehenden Zugriff auf Vintage-Titel bekommen. Dieser Teil des Plans ist noch schwer zu fassen aktuell. Wir sollen jedenfalls nicht die Spiele behalten dürfen. Bei Sony und Microsoft gehören einem die Geschenke dauerhaft.

Auch noch in einiger Distanz liegt das Versprechen von mehr Spielen. Die Startaufstellung ist zwar okay, aber nicht spektakulär. Sobald das locker 60-stündige Zelda-Abenteuer ausgeklammert wird, sieht die Lage weniger überzeugend aus. Es gibt ein paar Drittanbieter-Games, ein paar Nintendo-Exklusivgames, einige Indies - aber das beste Zeug ist noch nicht am Start. Splatoon 2 ist zwar bald fertig, aber Super Mario Odyssey kommt erst im Laufe dieses Jahres. Und wir warten noch auf Ankündigungen zu anderen großen Nintendo-Marken. Und nur eine robuste Drittanbieter-Unterstützung wird den Erfolg manifestieren, aber dieses Engagement muss sich erst noch materialisieren. EA etwa hat zwar bestätigt, dass FIFA 18 für Switch kommt, aber Mass Affect: Andromeda, das wohl größte Spiel des Verlages im ersten Halbjahr, kommt wohl nicht. Wenn Switch neben PS4 und Xbox One konkurrenzfähig sein will, braucht Nintendo auch Spiele von dieser Statur. Die Indie-Szene bietet sicherlich einen fruchtbaren Boden für Nintendo, viele kleinere Entwickler werden ihr Glück versuchen.

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Die Flexibilität, die uns so sehr begeistert, hat offenkundig auch ihre Nachteile.

Zweites Problem: Wenn diese Spiele kommen, braucht man Platz für sie. Das wird sich schnell als schwierig erweisen, denn die mageren 32 GB Speicherplatz der Switch bietet nach Abzug des Platzes für das Betriebssystem nur 25,9 GB für Spiele, Bilder und sonstiges Zeug. Kompatible MicroSD-Speicherkarten können mit der Konsole verwendet werden und sind nicht besonders teuer, aber es ist ein zusätzlicher Aufwand und es sind "versteckte" Mehrkosten. Games werden natürlich immer noch auf Cartridges verkauft, so dass der Mangel an Speicherplatz theoretisch weniger ein Problem ist aus dieser Perspektive. Aber wer gerne Spiele aus dem eShop herunterlädt oder digitale DLC-Inhalte kaufen will (ja, das wird auch bei Nintendo allmählich zur Geschäftspraxis), bekommt schnell Speicherplatzprobleme.

Und auch die Hardware hat einige Design-Fehler, wenn man genauer hinschaut. Zum Beispiel lässt sich das Tablet nicht aufladen, wenn man den Ständer auf der Rückseite im Tabletop-Modus verwenden will. Geht einfach nicht. Und Nintendo hat sich nicht die Mühe gemacht, zwei USB-C-Kabel beizulegen, was uns ermöglicht hätte, eines dauerhaft mit der Docking-Station zu verbinden und das andere zum Laden von Tablet plus Joy-Cons unterwegs verfügbar zu haben. So kauft man sich selbst ein zweites Kabel, weil man das andere nicht umständlich jedes Mal abfummeln will. Wer die Joy-Cons jenseits des Tablets laden will, etwa während sie an den Grip angeschlossen sind, kann auch das nicht einfach so machen. Man müsste einen speziellen Lade-Grip kaufen, den Nintendo natürlich separat anbietet. Die Flexibilität, die uns so sehr begeistert, hat offenkundig auch ihre Nachteile.

Am Ende des Tages aber ist es die Software, die das Glück der Switch definieren wird. Die Hardware selbst ist weitgehend brillant. Es ist sicherlich nicht die stärkste Konsole auf dem Markt - aber überraschenderweise ist das eigentlich nicht so wichtig dieses Mal. Nintendo Switch bietet etwas Einzigartiges: Das innovativste und das flexibelste System, um zwei Welten zu vereinen. Wir lieben die Leichtigkeit, mit der die Switch binnen Sekunden von einer kompetenten Heimkonsole zu einem hochwertigen Handheld wird. Dieses vielseitige Stück Technik ist Nintendo par excellence: Einzigartig, abenteuerlich und gespickt mit durchdachten Innovationen. Wenn es die Drittanbieter-Unterstützung bekommt, die es verdient, sieht die Zukunft für Nintendo rosig aus.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
tolles Mobilspielerlebnis, nahtloser Übergang von mobilem Spielen und TV-Zocken, schönes Design, hochwertige Verarbeitung
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schwächere Grafik auf HDTV im Vergleich zu PS4 und Xbox One,
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